Ich habe festgestellt, dass viele Menschen nur vage wissen, was die Soroptimistinnen machen. Wie kommt das?
ERNESTINE KUNZ | Wir arbeiten mit vereinten Kräften daran, dass sich das ändert. 2021 feierten wir international 100-jähriges Bestehen. Der Startschuss war in Oakland in den USA. Ein Gründungsmitglied war begeistert von den Rotariern – da die keine Frauen aufnahmen (bis 1989) gründete sie dann ihren eigenen Club. Soroptimist International, kurz SI, hat heute in 118 Ländern rund 70.000 Mitglieder in über 2900 Clubs.
Wie lautet die Kurzversion, was genau machen die Soroptimistinnen?
KUNZ | Soroptimistinnen befassen sich mit Fragen der rechtlichen, sozialen und beruflichen Stellung der Frau und vertreten die Position der Frauen in der öffentlichen Diskussion. Der Name ist abgeleitet vom lateinischen sororesoptimae und bedeutet so viel wie „beste Schwestern“. Die Mitglieder verstehen dies als Maßstab für ihr eigenesVerhalten im Leben und Beruf.In Düsseldorf entstand der erste Club 1958. Heute gibt es sieben, wahrscheinlich 2022 acht.
Wieso gibt es nicht nureinen, so wäre SI auch griffiger?
KUNZ | Düsseldorf ist die einzige Stadt in Europa mit so vielen Clubs. Wir haben rund 250 Mitglieder in der Landeshauptstadt. Das ist ein Zeichen für großes Interesse an unseren Themen. In jedem Club gibt es von einem Beruf nur eine Vertreterin. Ein Club sollte nicht mehr als 40 Mitglieder haben, um so effektiv wie möglich zu bleiben.
Schließlich geht es um nachhaltigen Austausch und die intensive Unterstützung von den Frauen untereinander.
Was nehmen Sie mit aus dem Jahr 2021, dem Jahr, in dem SI 100-jähriges Bestehens feierte?
KUNZ | Es gab einige richtungsweisende Aktionen, auf die wir stolz sind. Wir wollen unter anderem die Lebensbedingungen für Mädchen und Frauen verbessern. Zu diesem Zweck organisierten die sieben SI-Clubs
Projekte und Veranstaltungen wie etwa zum Weltfrauentag und zu den Orange Days – oft zusammen mit den zwei Düsseldorfer Zonta-Clubs. Finanziell – durch Spenden und Clubbeiträge – unterstützten wir „Mutter und Kind Wohnen“ des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer Düsseldorf. Es gingen auch Spenden an die Düsseldorfer Kindertafel, das Trebecafe, ProMädchen und die Kreativ-Werkstatt für Mädchen.
Soroptimistinnen befassen sich auch mit Fragen der beruflichen Stellung der Frau und wollen frühestmöglich ansetzen. Inwiefern geschieht das in Düsseldorf?
KUNZ | „Rock Your Life“ zum Beispiel ist eine Initiative, die Studentinnen mit Hauptschülerinnen zusammenbringt, was die Leistungen und das Selbstvertrauen der Schülerinnen unglaublich beflügelt. Außerdem gibt es „MIA – Mädchen im Aufwind“ an der Gemeinschaftshauptschule Graf-Recke-Straße. Clubschwestern begleiten zehn Schülerinnen der Klasse 9 drei Jahre lang im Schulalltag und unterstützen sie bei der Berufsorientierung. Zudem haben wir deutschlandweit ein Mentoring-Programm für junge Frauen, die gerade ins Berufsleben eingetreten sind – „SI-LEAR“.
Sie erwähnten bereits Zonta, ebenfalls ein bedeutender Frauenclub, der auch Mädchen und Frauen vor Ort fördert.
Gemeinsam machen Sie auf Gewalt durch Prostitution aufmerksam. Gibt es nach Ihrer Einschätzung Lichtblicke?
KUNZ | Jede zur Prostitution gezwungene Frau ist eine zu viel. Auch in Düsseldorf gibt es dieses Problem, dass junge Frauen – besonders aus Osteuropa – mit Jobs gelockt werden und dann in die Fänge von Menschenhändlern geraten. Man kann sich nicht vorstellen, was diese Frauen durchmachen. Bis zu 15 Freiern werden sie täglich zugeführt, finden sich in Vergewaltigunsgsszenarien wieder. Nach drei bis vier Monaten werden sie ins nächste Bordell verschleppt, um Spuren zu verwischen, spätestens nach zwei Jahren sind diese Frauen körperlich und seelisch kaputt. Die Dunkelziffer
ist sehr hoch, da man kaum Kontakt mit den Frauen aufnehmen kann.
Welchen Einfluss haben Sie auf politischer Ebene?
KUNZ | Grundsätzlich sind wir eine nicht-politische Organisation. SI Deutschland hat aber als NGO, also Nichtregierungsorganisation, allgemeinen Konsultativstatus bei Ecosoc, der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, und ist mit Repräsentantinnen bei vielen UN-Unterorganisationen vertreten, wie WHO, UNHCR, Unesco und Unicef. Im Zusammenhang mit dem Thema Zwangsprostitution diskutieren wir auch das nordische Modell. In den skandinavischen Ländern wird Frauen die Prostitution nicht untersagt, sondern die Freier werden bestraft. In Düsseldorf planen wir zum Thema Gewalt durch Prostitution im Frühjahr eine Podiumsdiskussion.
Wenn Sie auf 2022 blicken, sind mehr SI-Clubs in der Stadt ein Ziel?
KUNZ | Es ist derzeit nicht unser Ziel, auf zehn Clubs zu kommen. Wir wollen eher die vorhandenen Clubs stärken und die Zusammenarbeit mit Zonta intensivieren. Außerdem planen wir wieder die Diskussionsveranstaltung „Düsseldorf Meets“ mit einer bekannten Düsseldorfer Persönlichkeit. Und wir wollen noch mehr Düsseldorfer Frauen für unsere Aktivitäten begeistern. Wir verstehen uns auch als Serviceclub, als Netzwerk berufstätiger Frauen. Und Netzwerken ist insbesondere für junge Frauen sehr wichtig, um für die vielen beruflichen Herausforderungen Unterstützung zu
finden.
Die Aktionen zum 40-jährigen Bestehen der Orange Days sorgten 2021 für Aufsehen. Woran erinnern Sie sich amliebsten?
KUNZ | Manchmal sind es die ganz alltäglichen Dinge, die ins Auge fallen und im Gedächtnis bleiben: Auf rund 100.000 Brötchentüten von fünf Düsseldorfer Bäckereien stand der Aufdruck „Gewalt kommt uns nicht in die Tüte“. Daneben gab es mehr als zehn Lichtinstallationen. Spektakulär waren das Ratinger Tor, der ERGO-Turm, das Riesenrad und der Kö-Bogen. Seit 1981 gilt der 25. November als Gedenktag gegen Gewalt an Frauen. 1999 erkannten die Vereinten Nationen ihn als internationalen Gedenktag an.
Das Gespräch führte Brigitte Pavetic - © Rheinische Post Verlagsgesellschaft
Von Ute Neubauer
25.11.2021
Orange ist die Farbe der Bewegung "Nein zu Gewalt an Frauen" - "orange the world"
Die Dunkelzifferrate ist hoch, aber auch in Düsseldorf gibt es Jahr für Jahr zahlreiche dokumentierte Fälle von Gewalt gegen Frauen. Betroffen sind Opfer aus allen Schichten, denn es ist ein Vorurteil, dass die Täter nur aus bestimmten Milieus kommen. Am 25. November werden auf der ganzen Welt Aktionen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen gestartet. Auch in Düsseldorf wurden zahlreiche Aktionen organisiert.
Der internationale Gedenktag geht auf die Ermordung der drei Schwestern Mirabal zurück, die am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik vom militärischen Geheimdienst nach monatelanger Folter getötet wurden. Der Mut der Mirabal-Schwestern bei ihrem Kampf gegen den Tyrannen gilt inzwischen als Symbol für Frauen weltweit, die nötige Kraft für das Eintreten gegen jegliches Unrecht zu entwickeln. Seit 1999 ist der 25. November von den Vereinten Nationen als Gedenktag anerkannt und soll weltweit an die Menschenrechtsverletzungen und gewalttätigen Übergriffe gegen Frauen und Mädchen erinnern. In ganz Deutschland werden als Zeichen Fahnen an öffentlichen Gebäuden gehisst.
An verschiedenen städtischen Gebäuden, wie zum Beispiel am Marktplatz vor dem Rathaus und an den Rathäusern in Benrath und Kaiserswerth, werden Aktionsflaggen des bundesweiten Hilfetelefons “Gewalt gegen Frauen” gehisst. Auf den Flaggen ist die Telefonnummer des bundesweiten Hilfetelefons “08000116016” abgedruckt. Das Hilfetelefon steht seit 2013 als bundesweites, kostenfreies Beratungsangebot rund um die Uhr vertraulich zur Verfügung. Neben einer telefonischen Beratung wird auch eine Online-Beratung angeboten. Die telefonische Beratung wird in deutscher Sprache sowie in 17 Fremdsprachen angeboten.
Jede dritte Frau in Europa erlebt in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes gab es 2020 insgesamt 119.164 Fälle von Partnerschaftsgewalt gegen Frauen, ein Anstieg von vier prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei ist der Bildungsstand der Täter und der Opfer nicht relevant, auch in gut situierten Umgebungen wird Gewalt gegen Frauen ausgeübt. Gerade bei dünnen Wänden in preiswerteren Wohnungen falle Gewalt eher auf, als hinter den dicken Mauern von Villen, erklärt die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Düsseldorf, Elisabeth Wilfart. Gewalt an Frauen und Mädchen hat viele Gesichter und kann sich in Stalking, Nötigung, schwerer Körperverletzung, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung oder Zwangsprostitution zeigen.
Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller: “Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist leider auch heute noch ein Thema. Umso wichtiger ist, dass wir gemeinsam mit anderen Akteurinnen und Akteuren der Stadt immer wieder öffentlich hierauf aufmerksam machen. Jede und jeder einzelne von uns ist aufgerufen, nicht wegzuschauen, sondern sich klar gegen Gewalt und Diskriminierung einzusetzen.”
Die Terre Des Femmes Städtegruppe Düsseldorf informierte am Donnerstag an ihrem Stand in der Düsseldorfer Innenstadt über die Themen „Häusliche Gewalt/Femizide“ sowie „Menschenhandel/Prostitution“. Besonders die häusliche Gewalt sei ein Tabuthema, kritisieren sie. Betroffene würden häufig sich selbst überlassen und die Gewalt als Privatsache betrachtet. „Wir möchten die Menschen dazu ermutigen, hinzusehen und Stellung zu beziehen“ betonten die Mitstreiterinnen der Städtegruppe.
Immer wieder weist Terre Des Femmes auf die dramatischen Bedingungen von Prostituierten hin. Dabei würden Politiker/innen oft noch den Mythos der selbstbestimmten Prostituierten propagieren und den Schutz sowie die Straffreiheit der Profiteure verteidigen. Sie fordern einen Perspektivwechsel und eine Änderung nach dem Vorbild diverser europäische Länder, die den Weg des Nordischen Modells gehen. Dieses Modell sieht neben dem Schutz von Betroffenen die Kriminalisierung der Profiteure vor.
Sigrid Wolf, Regionsgeschäftsführerin der DGB Region Düsseldorf Bergisch- Land, kritisiert, dass das thema Gewalt gegen Frauen auch in den Betrieben zu wenig Beachtung fände. „Übergriffe gegen Frauen sind ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich durch sämtliche Bildungsschichten, Kulturen und Konfessionen zieht. Nicht nur – aber ganz besonders am 25.11. – ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen, ihre Solidarität mit von Gewalt betroffenen Frauen bekunden und Nein sagen zu sämtlichen Formen von Gewalt“, so Wolf.
Der DGB fordert, in den Betrieben Notrufnummern und Aushänge am Schwarzen Brett mit Ansprechpartner*innen, Beratungsangeboten und Prävention sowie Sensibiliserung der Führungskräfte und konsequentes Vorgehen gegen Täter. Wichtig sei im privaten und beruflichen Umfeld wachsam zu sein und bei Belästigungen und Gewalt sofort einzuschreiten.
Beide Organisation sind maßgeblich an der Organisation von Aktionen zum 25. November beteiligt.
Zonta International (ZI) ist ist eine vor 100 Jahren in den USA gegründete Menschenrechtsorganisation, die sich auch in Deutschland gegen Gewalt an Frauen einsetzt. Als global agierende Nichtregierungsorganisation ist Zonta mit rund 1.100 Clubs und 28.000 Mitgliedern in 63 Ländern vertreten. Seit 1969 engagiert sich Zonta International mit generellem konsultativem Status beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC).
Soroptimist International (SI) ist eine der weltweit größten Service-Organisationen berufstätiger Frauen mit gesellschaftspolitischem Engagement. Die Mitglieder befassen sich mit Fragen der rechtlichen, sozialen und beruflichen Stellung der Frau und vertreten die Position der Frauen in der öffentlichen Diskussion. Sie setzen sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen für Frauen und Mädchen ein und agieren dabei lokal, regional, national und global.
Orange your City
Für Sichtbarkeit sorgt die Aktion “Orange your City”. In Düsseldorf haben die Frauen der lokalen Clubs von Zonta International und Soroptimist International mit Unterstützung des Amtes für Gleichstellung und Antidiskriminierung die Aktion “Orange your City“ ausgeweitet. Das Hetjens-Museum, die Oper, der Kö-Bogen, die Merkur-Spiel-Arena, der PSD-Bank Dome, der ERGO-Turm, das Maxhaus, die Neanderkirche, das Ratinger Tor, die Anzeigetafel am Landtag und das Riesenrad auf dem Burgplatz werden in Orange erleuchten.
Brötchentüten
Um auf die bestehenden Hilfsangebote aufmerksam zu machen, sind in diesem Jahr durch die Düsseldorfer Clubs der internationalen Frauenrechtsorganisationen Soroptimist und Zonta International in Kooperation mit den Bäckereien Hinkel, Puppe, Pass, Herkules und der Stadtbäckerei über 100.000 Brötchentüten mit der Nummer des Hilfetelefons bedruckt worden. Diese werden am 25. November im Verkauf verwendet. Die Bäckerei Hinkel unterstützt die Aktion bereits seit 2013. Sophie Hinkel hat sich dafür eingesetzt, dass sich der Kreis der Partner in diesem Jahr deutlich vergrößert. „Da Zonta-Frauen und Soroptimistinnen ihre Kräfte bündeln, habe auch ich einfach weitere Handwerksbäcker angesprochen, damit wir alle gemeinsam ein noch entschiedeneres Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen können“, berichtet Sophie Hinkel.
Aktionsspieltag und Fotoaktion
Beim Heimspiel am Freitag, 26. November, gegen Heidenheim veranstaltet Fortuna Düsseldorf einen Aktionsspieltag. So werden Informationen zum “Internationalen Tag Nein zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen” ausliegen, die auf das Angebot des bundesweiten Hilfetelefons aufmerksam machen. Außerdem gibt es eine Fotoaktion, bei der OB Dr. Stephan Keller, Gleichstellungsbeauftragten Elisabeth Wilfart, F95-Aufsichtsrätin Martina Voss-Tecklenburg, Mannschaftskapitän Adam Bodzek, Fortuna-Spieler Kristoffer Peterson und Vereinslegende Axel Bellinghausen deutlich machen: “Keine Gewalt gegen Frauen und Mädchen”. Die Plakate werden in der Arena zu sehen sein und über die Sozialen Medien veröffentlicht. Die Düsseldorf Tourismus GmbH wird die Wendeschleife an der Arena mit den Flaggen des Hilfetelefons bestücken.